obo. RHEINGAU-TAUNUS-KREIS.
Vor der Kommunalwahl hat die letzte Kreistagssitzung der Wahlperiode den Fraktionen noch einmal eine Bühne geboten, um die höchst unterschiedlichen Positionen zur Nutzung der Windenergie deutlich zu machen. Stein des politischen Anstoßes ist der vor zwei Jahren vorgelegte „Masterplan Erneuerbare Energie“, den der Kreistag für 50 000 Euro in Auftrag gegeben hatte. Die Experten fanden heraus, dass der Kreis seine selbstgesteckten energetischen und klimapolitischen Ziele bis 2020 nur erreichen kann, wenn bis zu 118 Windräder aufgestellt werden. Sie könnten einen Stromertrag von 592 000 Megawattstunden liefern und damit rechnerisch knapp 90 Prozent des Strombedarfs decken.
Für die CDU, die den Masterplan ablehnt und nicht länger als Leitlinie der Energiepolitik akzeptiert, ist das die wahre Absicht der rot-grünen Kreistagsmehrheit und ein Horrorszenario. Sie trug die Diskussion mit einem Antrag zum Schutz der Kultur- und Naturlandschaft noch einmal in den Kreistag, erntete aber vom politischen Gegner harsche Kritik. Der SPD-Kreisvorsitzende und Bundestagsabgeordnete Martin Rabanus sprach von „Theaterdonner, Wahlkampfgeklingel“ und „Chuzpe“.
Die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Ingrid Reichbauer, beharrte auf der Feststellung, dass der Kreistag den Masterplan seinerzeit lediglich zur Kenntnis genommen, das Ziel von 118 Windrädern aber niemals bestätigt habe. In einem Konzept zur sukzessiven Realisierung des Plans seien die Windräder gar nicht genannt. Die Aufstellung von Windrädern zu beschließen und zu organisieren sei allein Sache der Kommunen. Ihr Fraktionskollege Klaus Stolpp warf der CDU vor, die Energiewende im Kreis ausbremsen zu wollen. Sie könne ohne Nutzung der Windenergie aber nicht gelingen, und der Kreis habe einige der besten Standorte im gesamten Regierungsbezirk. Auch der Rheingau dürfe sich dabei nicht aus seiner Verantwortung stehlen.
Dass ausgerechnet das mit Jürgen Helbing von einem CDU-Bürgermeister geführte Lorch drei bis vier Windräder aufstellen will und das überdies in der Rahmenzone des Unesco-Welterbegebiets Oberes Mittelrheintal, erleichterte der CDU im Kreistag die Argumentation gegen Windräder nicht. Sprecher von SPD und Grünen kritisierten wieder, dass sich die in der Region beheimateten CDU-Landespolitiker wie Innenminister Peter Beuth, Staatssekretär Ingmar Jung und die Landtagsabgeordnete Petra Müller-Klepper im Kreis und in ihren Kommunen gegen die Windkraft engagierten, im Landtag aber die Haltung der schwarz-grünen Koalition zum Ausbau der Windkraft im Land mittragen. Das sei nicht akzeptabel und eine Wählertäuschung.
CDU-Fraktionschef André Stolz ging auf solche Vorhaltungen aber nicht ein. Der Taunuskamm, der Hinterlandeswald und das Rheingaugebirge müssten frei von Windrädern gehalten werden, forderte er. Stolz verwies auf frühere Stellungnahmen der Kreisverwaltung, die sich genau diese Forderungen zu eigen gemacht hätten. Dankbar zeigte sich Stolz, dass die rot-grüne Landesregierung aus seiner Sicht inzwischen glaubhaft versichert habe, dass es bei Lorch keine Windräder geben werde, sofern dadurch der Welterbe-Status in Gefahr geraten könnte.
Rainer Scholl (FDP) ging das aber nicht weit genug. Windräder in der Randzone des Mittelrheintals müssten grundsätzlich verhindert werden, selbst wenn eine Prüfung ergebe, dass sie welterbeverträglich installiert werden könnten. Die im Masterplan formulierten Ziele seien nicht zu erreichen. Auch von der FWG gab es Unterstützung für die Windkraft-Kritik der CDU. Der Rheingauer Winzer Hans-Josef Becker sagte, jedes Windrad bedeute einen großen, nicht gutzumachenden ökologischen Schaden für den Rheingauer Wald. Es gebe schon jetzt zu viele Windräder in Deutschland. Die finanziellen Verlockung aus der Verpachtungen von Standorten für den Bau von Windrädern nannte Becker „einen Judaslohn: Man verkauft seine Landschaft nicht.“ SPD und Grüne überzeugte das nicht: Sie lehnten den CDU-Antrag ab.